Die Orthographie des Mittelfranzösischen (14.-15. Jhdt.)
Lautliche und graphische Veränderungen im Mittelfranzösischen des 14. und 15. Jhs.
Der accent aigu bei der Inversionsfrage
Wie oben beschrieben, verschwand normalerweise das offene ö mit der Zeit. Nur am Wortende blieb es erhalten, da zur damaligen Zeit die Betonung eines Wortes auch auf die vorletzte oder die vorvorletzte Silbe fallen konnte. Daraus resultieren auch einige besondere Lautentwicklungen, wie bei angeles, das aus lateinisch ángelus, d. h. betont auf der ersten Silbe, entstanden ist. Solche Wörter werfen später die letzte Silbe ab und passen sich an den allgemein gebräuchlichen Rhythmustyp an. Ein weiteres Beispiel ist pagene aus lateinisch página. Heute sagt man daher noch ange bzw. page.
Auf dieselbe Art und Weise ist der Akzentwechsel bei der Inversionsfrage zu erklären. Streng nach Regel genügt es, das Subjektpronomen mit dem Verb zu tauschen, d. h. beispielsweise chante je. Daraus ergibt sich aber vom Rhythmus her ein daktylischer Typ, also ó-o-o, der im Französischen nicht geläufig war und deshalb an den damals vorhandenen trochäischen Typ, also ó-o, angeglichen wurde. Das ist der Grund für den Accent aigu, den man heute bei dieser zugegeben sehr seltenen Art von Frage setzt: chanté-je.
siehe auch: Probleme der Akzentsetzung
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