Die Orthographie des Mittelfranzösischen (14.-15. Jhdt.)
Lautliche und graphische Veränderungen im Mittelfranzösischen des 14. und 15. Jhs.
Zusammenfassung über die Orthographie des späten Mittelalters
Während der Vorgänge, die ich in den obigen Punkten erläutert habe, hat sich die Orthographie im Laufe der Jahrhunderte im Gegensatz zur Aussprache im Großen und Ganzen nicht von derjenigen des 13. Jahrhunderts entfernt. Sie war anfangs sogar recht einfach und fast phonetisch, jedoch passte sie sich nicht mehr an die neuen Aussprachen an, d. h. sie wurde immer traditioneller. Auch die verstärkt morphologische sowie die einsetzende latinisierende etymologische Schreibung hatten eine überflüssige Erschwerung der Graphie zur Folge.
Zusammengefasst kann man drei wesentliche Entwicklungstendenzen beobachten:
  • Die Graphie wird historisch: Da die Schreibung sich nicht der Lautentwicklung anpasst, spiegelt sie einen älteren Lautbestand wider. Deutlich wird dies z. B. an Endkonsonanten oder Diphthongen, die man weiterhin schreibt, obwohl man sie schon gar nicht mehr spricht.
  • Die Graphie wird analogisch: Dieser Vorgang geschieht sowohl bei den Verben (tu romps, da nous rompons) als auch bei den Substantiven. Bei diesen erscheint z. B. die Singularform auch in der entsprechenden Form des Plurals. Während im Altfranzösischen vis den Plural von vil und vif darstellte, findet man im Mittelfranzösischen die Schreibungen vils und vifs. Eine weitere Änderung bei den Verben der ersten Gruppe (auf -er) ist das Anhängen von e an die erste Person Singular Präsens sowie bei den Verben der anderen Gruppen (auf -ir und -re) das Anhängen von s an ebendiese Form. Somit ändert sich z. B. ie chant zu ie chante, iescri zu iescris und ie fay zu ie fais.
  • Die Graphie wird etymologisch: Damit ist im Wesentlichen die Wiedereinführung von stumm gewordenen etymologischen Konsonanten gemeint. Beispiele dazu sind
    - für b: doubter, debuoir;
    - für c: dictes, faictes;
    - für d: aduancement, aduis;
    - für p: sepmaine;
    - für l: eulz, ceulz, vouldra, obwohl das u ehemalig dieses l schon darstellte.
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